TA 3:
'Die Rolle der Bevölkerung'
-untersuchen sie, welche Rolle die
Bevölkerung im Kampf um Gerechtigkeit in Kleists Novelle,
Dürrenmatts Drama und in Kafkas Roman jeweils spielen.
Bevölkerung in Kleists
Novelle 'Michael Kohlhaas':
- Die Bevölkerung ist in gewisser Weise immer Spiegel der Haltung der Obrigkeit, Kohlhaas gegenüber. Am Anfang sind sie gegen ihn, halten den Junker Wenzel von Tronka vor ihm versteckt und nehmen seine Mandate nicht ernst. SO auch die Obrigkeit: Sie verwehren Kohlhaas das fundamentale Recht auf einen Prozess gegen den Junker und zwingen ihn so zum gewaltsamen Widerstand.
- Im zweiten Teil der Novelle, in dem sich plötzlich alle Dinge wie durch göttliche Fügung für Michael Kohlhaas zum Guten wenden, steht auch die Bevölkerung plötzlich hinter ihm. Der Brandenburger Kurfürst setzt sich für Kohlhaas ein und verhilft ihm in Dresden zu einem Fairen Prozess gegen den Junker (Kohlhaas bekommt in allen Anklagepunkten Recht). Kohlhaas muss sich allerdings am schluss noch ein letztes Mal vor Gericht behaupten. In Brandenburg wird er des Kaiserlichen Landfriedensbruches bezichtigt. Kohlhaas erkennt seinen Fehler an und ist bereit dafür gerade zu stehen,. Dieses Verhalten macht Eindruck bei der Bevölkerung und Kohlhaas wird noch kurz vor seinem Tod als mutiger Volksheld gefeiert.
- Kohlhaas verdankt seine Beliebtheit gegen Ende warscheinlich auch seiner Eigenschaft s´trotz seines brutalen Widerstandskampfes gegen die Obrigkeit bereit für Kompromisse zu sein und sein Verhalten ständig zu reflektieren und Kritik annehmen zu können. Er versucht ständig sein Verhalten zu erklären und steht konsequent hitner seinen Prinzipien. Das wirkt sympathisch aber auch beeindruckend. Viele in der Bevölkerung damals wünschten sich vermutlich so mutig wie Michael Kohlhaas zu sein.
Bevölkerung in Kafkas Roman
'der Prozess'
- die Bevölkerung in Kafkas Roman spielt hier eine weniger große Rolle als sie es in Kleists Novelle oder Dürrenmatts Drama tut. In Kafkas Roman geht es hauptsächlich um Josef K. Selbst. Die Bevölkerung oder bessergesagt: die Menschen mit denen K. Etwas zu tun hat dienen lediglich dazu, die verworrene Wahrnehmung K.s seiner Umwelt zu unterstreichen. Psychoanalytisch betrachtet weißt sein Verhältnis zu Frauen auf eine infantile Neurose hin. Die Frauen, allesamt aufreizend und anzüglich gezeichnet, zeigen sein gestörtes Verhältnis zu Gefühlen wie Liebe, echter Zuneigung und Vertrauen. K. Scheint sehr allein zu sein und hat weder Freunde noch eine feste Partnerin. Auch von einer Familie ist nicht viel zu merken. Bis auf einen Onkel, der ihn einmal kurz besucht und ihmdabei helfen will, die Fassade vom perfekten Prokuristen aufrecht zu erhalten um die Familie nicht zu blamieren. Das weist auf ein oberflächliches, angespanntes Verhältnis zu seiner Familie hin. Auch hier scheint K. Unfähig jeglicher emotionalen Bindung oder Regung zu sein. Alle anderen Personen die im weiteren Verlauf des Romans auftauchen gehören auch zu dem ominösen, undurchschaubaren Gericht, das ihn anklagt. Dadurch, dass die Personen überall sind wirken sie Bedrohlich auf K. Obwohl sie ihm sogar teilweise ihre Hilfe anbieten. Das Gericht schein überall zu sein und K. Fühlt sich verfolgt und bedrängt von seinem Prozess. Die Personen überall, die alle mit dem Gericht zusammenhängen unterstreichen, dass es sich hier nicht unbedingt um ein reales Gerichtsgebäude handelt, welches K. Anklagt sondern vielemehr um etwas noch höheres. Fast macht es den Anschein, K. Bilde sich die vielen Menschen nur ein und der Prozess ist ein Prozess, der nur innerhalb K.s vorgeht. Eine Art Lebenskrise in der K. Sich für sein gesamtes Tun sich selbst gegenüber verwantworten muss. Die Bevölkerung in Kafkas Roman wäre demnach dann die verschiedenen Stimmen in K.s Kopf. Verschiedene Erinnerungen, Vorwürfe und Ängste- dargestellt als Personen.
Bevölkerung in Dürrenmatts
Drama 'der Besuch der alten Dame'
- Von allen drei Werken, spielt die Bevölkerung in Dürrenmatts Drama die Größte Rolle. Sie ist eigentlich ein eigener Charakter des Stückes. Obwohl es sich bei der Bevölkerung um viele verschiedene Personen handelt, hat man nicht das Gefühl, dass es sich um viele verschieden Identitäten handelt als viel mehr um eine Kollektiv-Identität.
- Obwohl die Güllener detaillierter Beschrieben sind als die Bevölkerung in Kleists Novelle ensteht das Gefühl, einer entindividualisierten, monoton denkenden Masse viel stärker als bei Michael Kohlhaas.
- Die Bevölkerung in Dürrenmatts Drama könnte zeigen, dass auch die Demokratie als Staatsform nicht immer die beste ist. Denn die Mehrheit entscheidet sich nicht immer für die moralisch beste Lösung eines Problems. Das wird deutlich als die Güllener im Kollektiv Ill für eine Milliarde umbringen.
- Weder bei Kleist noch bei Kafka ist die Bevölkerung für den Handlungsverlauf zwingend notwendig. Bei Dürrenmatt ist sie jedoch Teil des Geschehens und unbedingt notwendig für das Geschehen. Die alte Dame könnte ihren Racheplan ohne die Bevölkerung garnicht durchsetzen und ohne die Bevölkerung wäre der Grund zur Rache garnicht erst entstanden.
- Die Bevölkerung in 'Der Besuch der alten Dame' spielt eine entscheident wichtige Rolle und ist aus dem Stück nicht wegzudenken während sie in Kafkas Roman und Kleists Novelle nicht unbedingt notwendig für den Verlauf der Handlung ist und lediglich als Räpresentant der Auwirkungen des Handelns des Protagonisten dienen.
Die Rolle der Bevölkerung in Kafkas
Roman 'der Prozess' ist nicht besonders groß und doch von großer
Wichtigkeit. Zunächs einmal fragt man sich: wo ist hier überhaupt
die Bevölkerung? Es geht doch hauptsächlich um den
durchschnittlichen Prokuristen Josef K. , seine verzerrten
Wahrnehmungen der Umwelt und falschen Einschätzung seiner
Mitmenschen. Aber genau da fängt die Bevölkerung an, eine Rolle zu
spielen: in K.s irrationaler Wahrnehmung seiner Mitmenschen und
seinem zwischenmenschlichem Verständnis- das anscheinend nicht
vorhanden ist. Doch nun der Reihe nach: Josef K. Wird eines Tages von
unbekannten Männern eines ominösen, undurchschaubaren Gerichtes
verhaftet. Sie können ihm jedoch nicht sagen weshalb und K. Stellt
die frage nach seiner Schuld nur ein einziges Mal, ganz am Anfang.
Offensichtlich kann er sich auch nicht denken, worin seine Schuld
bestehen könnte, denn gerade der um durchschnittlichkeit und Ordnung
bemühte K. Ist sich keiner Schuld bewusst. Die Anklage tut er als
Irrtum ab und geht lediglich aus dem einen Grund zum Gericht, um den
Prozess schnell hinter sich zu bringen. Er versucht garnicht erst,
über mögliche gründe für seine Verhaftung nachzudenken und obwohl
er sich fest vornimmt, dem Prozess so wenig Bedeutung wie möglich
beizumessen, nimmt dieser bald einen bedeutend großen Platz in K.s
Leben ein. Das Gericht ist überall. Alle Personen, mit denen K. In
Kontakt kommt, haben plötzlich etwas mit dem Gericht zu tun und
scheinbar alle wissen von K.s Prozess. Bei dem Gericht selber handelt
es sich ganz offensichtlich nicht um ein Gerichtsgebäude im Wortsinn
sondern vielmehr um das Gericht als geistigen Begriff. Der Prozess,
der sich an K. Von dem Tag der Verhaftung an 'haftet' könnte auch
eine Art Lebenskrise K.s sein, ein Prozess über sein eigenes Leben,
der sich nur in seinem Kopf abspielt. In diesem Sinne würden auch
die vielen Menschen, die alle mit dem Gericht zusammenhängen Sinn
ergeben: sie könnten die verschiedenen Stimmen in K.s Kopf sein.
Stimmen der Schuld, der Angst, Vorwürfe, die er sich selbst macht
und Erlebnisse die er verarbeiten muss. Men könnte sagen, die
Bevölkerung in Kafkas Roman sind Teil des Gerichts, also des
Gewissens von Josef K. Selbst. An K.s schwierigem Verhältnis zu
Frauen wird das besonders deutlich: Er scheint unfähig zu sein, eine
Beziehung aufzubauen, nicht in der Lage sich emotional an jemanden zu
binden oder überhaupt echte Gefühle für eine Person zu entwickeln.
Die Frauen benutzt er lediglich als austauschbare Objekte der Lust.
Psychoanalytisch betrachtet weißt diese verhalten auf eine infantile
Neurose hin: Die Frauen könnten auf ein schwer zu verarbeitendes
Erlebnis in K.s früher Kindheit hinweisen. Vielleicht ist er einmal
verraten worden und konnte damit nicht umgehen, denn anscheinend hat
er starke Bindungängste. Doch nicht nur das, auch in Anwesenheit der
anderen Personen wirkt K. Immer nervös und unsicher. Nach den
Treffen macht er sich Vorwürfe, er könne sich falsch verhalten-
oder etwas Falsches gesagt haben. Wenn diese Personen die
personifiezierten Ängste und Stimmen in K.s Kopf sind, sind auch sie
unbedingt notwendig für den Verlauf der Handlung. Bei Kleists
Novelle 'Michael Kohlhaas' ist es ein bißchen offensichtlicher: Dem
Rosshändler Michael Kohlhaas werden auf einer geschäftlichen Reise
zwei Pferde misshandelt. Als er dagegen klagen will wird ihm ein
Prozess hartnäckig verwehrt und nachdem er mehrmals daran scheitert
auf Legalem Wege noch etwas zu erreichen, zieht der Rosshändler, für
welchen die Menschenwürde einen Höheren Stellenwert hat als das
physische Leben, in den gewaltsamen Widerstandskampf. Als er fast
scheitert, gelingt es ihm durch beinahe göttliche Fügungen und
glückliche Zufälle doch noch seinen Prozess zu bekommen. Obwohl er
ganz zum Schluss rechtmäßig wegen Landfriedensbruchs zum Tode
verurteilt wird, stirbt er zufrieden und mit der Welt im Reinen: Er
hat kurz zuvor seinen Prozess bekommen und obendrein in allen
Anklagepunkten Recht. Ausserdem ist er in der Lage seinen Fehler
einzusehen und dafür gerade zu stehen. Die Bevölkerung macht
gewissermaßen parallel zu den Gerichten, vor denen Kohlhaas sich
behaupten muss eine Entwicklung durch: Anfangs sind sie verschreckt
und empört über das gewaltsame Vorgehen Kohlhaasens. Sie verstecken
sogar den Junker Wenzel von Tronka hinter dem Kohlhaas her ist, und
weigern sich ihn trotz vieler Drohungen auszuliefern. Gleichzeitig
verweigern die Gerichte Kohlhaas einen Prozess gegen den Junker,
stellen ihm eine Falle und verurteilen ihn obedrein noch unrechtmäßig
in einem öffentlichen Schauprozess zu Tode. Als Kohlhaas durch viele
Zufälle doch noch an den ihm zustehenden Prozess kommt und er
endlich das Verständnis der Obrigkeit erlangt, scheint auch
plötzlich die Bevölkerung auf seiner Seite zu stehen und ihn sogar
zu bewundern. Die Bevölkerung funktioniert hier sozusagen als
Repräsentant für die Stellung der Obrigkeit Kohlhaas gegenüber.
Seine Eigenschaft, eigene Fehler einzusehen und Kompromisse
einzugehen macht ihn zum gefeierten Volkshelden. Die Bevölkerung
bewundert ihn für seinen Mut und seine Konsequenz obwohl sie ihn
genau dafür am Anfang unter dem Einfluss der Obrigkeit verurteilt
haben. Kleist zeigt damit, dass die Bevölkerung doch ein
beeinflussbares Kollektiv ist und dass es einen starken, konsequenten
Anführer braucht, um sie auf seine Seite zu ziehen und so eine
Revolution gegen die Obrigkeit durchführen zu können. Ähnlich
gleichgeschaltet ist die Bevölkerung in Dürrenmatts Drama 'der
Besuch der alten Dame' dargestellt. Obwohl es sich hier zum Teil um
einzelne Personen handelt, sind diese so stark entindividualisiert
dass sie insgesamt anonymer und monotoner wirken als die Bevölkerung
bei Kohlhaas. Bei Kohlhaas fallen zumindest ab und zu einzelne
Charaktere aus dem Muster und handeln nicht gleichgeschaltet mit der
Masse. Die Zigeunerin, die Kohlhaas am Ende hilft und dem Sächsischen
Kurfürst seine Zukunft prophzeit ist wohl das beste Beispiel für
ein Individuum, dass sich von der Masse abhebt.
Bei Dürrenmatt gibt es solche Personen
nicht. In einer verlasssenen Kleinstadt, genannt Güllen, wartet man
aufgeregt auf die Ankunft einer alten, milliarden schweren Dame. Sie
hoffen darauf, von der Milliardärin aus der finanziellen Not befreit
zu werden und versuchen krampfhaft einen perfekten ersten Eindruck zu
erzeugen. Bereits hier zeigt sich die verlogenen Fassade , die die
Güllener auch im weiteren Verlauf der Handlung konsequent aufrecht
erhalten. Tatsächlich bietet die alte Dame den Güllenern ihre Hilfe
an- allerdings unter einer Bedingung: Sie verlangt, dass die Güllener
ihren Ex-Freund Alfred Ill, der sie damals verlassen hatte,
umbringen. Dafür bietet sie eine Milliarde für Güllen. Zuerst
lehnen die Güllener scheinbar entrüstet ab. Ihre moralischen
Prinzipien gebieten es ihnen. Bereits hier wird deutlich, dass die
Meinung der Güllener praktisch nur eine einzige ist. Selbst in
gesprochenen Dialogen kann man kaum den Einzelnen heraushören. Für
die Rachemission der alten Dame ist das kollektive Handeln und Denken
der Güllener perfekt: Sie kann sie durch ihr Angebot als
Mordinstrument Alfred Ills benutzen. Damit straft sie nicht nur Ill
für seinen früheren Verrat sondern auch die Güllener für ihre
Verlogenheit und ihr demütigendes Verhalten als sie Güllen damals
als schwangere Frau verlassen musste. Das Schlimme an der Bestrafung
der Güllener ist nicht, dass sie Ill umbringen an sich sondern, dass
sie ihre Seelen verkaufen ohne es zu merken.
Obwohl die Rolle der Bevölkerung in
Dürrenmatts Drama am offensichtlichsten ist, ist sie trotzdem auch
bei Kleists Novelle und Kafkas Roman unbedingt notwendig für den
Verlauf der Handlung und die Entwicklung der Charaktere. Durch die
Personen und ihre Art wie sie auf Josef K.s Verhalten reagieren hat
K. Überhaupt erst die Möglichkeit, sein Handeln zu reflektieren.
Bei Kleists Novelle 'Michael Kohlhaas' ist die Funktion der
Bevölkerung einfach: Sie lassen sich von der Obrigkeit beeinflussen
und reflektieren die Stimmung der Obrigkeit gegenüber Kohlhaas. Die
Einzelnen individuellen Charaktere, mit denen Kohlhaas in berührung
kommt zeigen ganz unterschiedliche Dinge. Die Zigeunerin hilf ihm und
versteht seine wahren Absichten während alle, die mit dem Junker
Wenzel von Tronka zusammen hängen versuchen Kohlhaas in Fallen zu
locken und ihn auflaufen zu lassen. Sie repräsentieren die
Kurruptheit des Staates. Bei Dürrenmatt ist die Bevölkerung fest in
die Handlung eingebunden und als Masse ein Protagonist des Stückes.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen